Rettet den Kommunalwald!

Die kommunalen Waldbesitzer in Nordrhein-Westfalen fordern einen Aktionsplan von Bund und Ländern zur Rettung des Waldes. „Die Situation in den Wäldern wird immer dramatischer. Stürme, Hitze, Dürre mit einhergehender rasanter Ausbreitung von Borkenkäfern haben in unseren Wäldern schwere Schäden angerichtet. Betroffen sind auch die städtischen Grünanlagen und städtischen Wälder. Millionen Bäume sterben ab, weil keine ausreichende Feuchtigkeit vorhanden ist und sie ihre Widerstandskraft gegen Schädlinge und Pilze verloren haben. Wir stehen vor einem Waldsterben 2.0 und der Kommunalwald braucht Hilfe!“, erklären vom Gemeindewaldbesitzerverband NRW e.V. der Vorsitzende Bürgermeister Bernhard Halbe (Schmallenberg) und Geschäftsführer Dr. Gerd Landsberg (Bonn) anlässlich der Erweiterten Vorstandssitzung des Verbandes am 23. August 2019 in Bonn.

„Wir können uns alles leisten – aber keine sterbenden Wälder“, sagt Landsberg mit Blick auf die erhebliche Bedeutung von Bäumen für die Einsparung von CO2. Die Städte und Gemeinden fordern in dieser seit Jahrzehnten schwersten Krise in der Forstwirtschaft klare Zusagen von Bund und Ländern über das Geld, mit dem die Schäden behoben und eine Aufforstung finanziert werden kann. Notwendig sei ein nachhaltig durchfinanziertes Programm mindestens für die nächsten 10 Jahre.

In den 1980er Jahren habe das Waldsterben nur mit vielen Maßnahmen zur Schadreduzierung aufgehalten werden können. Das bleifreie Benzin wurde angeordnet, Katalysatoren wurden Pflicht und große Industrieanlagen mussten sich verschärften Anforderungen zur Schadstoffreduzierung stellen. Dieses Mal wird es schwieriger. Jetzt, wo wir den Wald als Klimaschützer dringend brauchen, ist der Klimawandel in den Wäldern angekommen und setzt diesen schwer zu. „Und ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Bei anhaltender Trockenheit und Wärme sind für die kommenden Jahre noch größere Schäden zu befürchten. Betroffen sind nicht nur die Fichten- und Kiefernwälder. Auf großer Fläche sterben Altbuchen ab und immense Schäden treten bei der Tanne und Eiche auf – Baumarten, auf die die Förster bisher im Klimawandel große Hoffnung setzten“, so Halbe.

„Wir müssen dem Waldsterben etwas entgegensetzen, unsere Wälder umbauen und die „grünen Lungen“ in Kommunen sichern und erhalten. Das geht aber nicht von heute auf morgen und schon gar nicht zum Nulltarif“, so Landsberg.

Auf der Vorstandssitzung wurde ein umfassendes Positionspapier des Gemeindewaldbesitzerverbandes NRW e.V. mit konkreten Vorschlägen und Maßnahmen zur Bewältigung der verheerenden Krise verabschiedet. Die kommunalen Waldbesitzer fordern u. a.:

  • Wald & CO2-Steuer, CO2-Emissionshandel: Die Einführung und langfristige Finanzierung einer „Klimaschutz-CO2-Bindungsprämie“ pro Hektar Waldfläche für das im Holz jährlich gespeicherte CO2 und die Einbindung in das Klimaschutzpaket der Bundesregierung.
  • Masterplan „Grüne Lungen“ in Städten: Finanzielle Hilfen für erhöhte Verkehrssicherungsmaßnahmen und für die Bekämpfung gesundheitsgefährdender Insekten und Pilze.
  • Gründung eines Klima-Investitionsfonds Wald: Ankauf von Kalamitätsflächen von Waldeigentümern, die ihren absterbenden Wald aufgeben wollen. Fondsgründung durch Wirtschaft, Stiftungen, öffentlicher Hand, Verbände. Aufbau klimastabiler Wälder zur CO2-Bindung. Operative Umsetzung der Schadholzbeseitigung und Wiederbewaldung durch Landesforstverwaltungen.
  • Klimagerechter Waldumbau: Förderrichtlinien unbürokratischer und einfacher gestalten. Aufstellen eines gesellschaftlichen Konsenspapiers über eine Liste klimagerechter Baumarten. Monokulturen systematisch durch Mischwald ersetzen. Ideologiefreie Förderung von klimagerechten Baumarten aus Fremdländern (z. B. Douglasie, Mammutbaum, Libanonzeder, Küstentanne, Schwarznuss, Roteiche). Förderung der Forsteinrichtung im Körperschaftswald nach gravierenden Schadereignissen als Planungshilfe.
  • Personal: Die Forstverwaltungen müssen in die Lage versetzt werden, die großen Herausforderungen auch personell zu meistern. Der stetige Personalabbau im Forstbereich in den letzten Jahren muss gestoppt und umgekehrt werden.
  • Klimawandel, Jagd & Wild: Neujustierung der Bundes- und Länderjagdgesetzgebungen pro Walderneuerung: „WALD vor WILD“, Jagdzeiten auf früheren Vegetationsbeginn einstellen (Bejagung wiederkäuendes Schalenwild ab 01. April). Koppelung der Waldbauförderung an waldgerechte Wildbestände.
  • Windkraft auf Kalamitätsflächen: Temporäre Nutzung von Nadelholz-Kahlflächen für Windkraftanlagen. Schaffung temporärer Einkommensmöglichkeiten für Waldbesitzende. Partizipation der Bürgerschaft vor Ort gewährleisten.
  • Waldsterben, Natur- & Artenschutz: Buchensterben für Totholzanreicherung nutzen. Ausgleichszahlungen für im Wald belassene absterbende Altbuchen und Nadelhölzer für den Naturschutz.

Hintergrundinformation

Zur aktuellen Schadenssituation im Stadtwald Bonn

*Angaben vom Amt für Stadtgrün, Bundesstadt Bonn

  • Der Bonner Stadtwald hat ca. 600 Hektar (ha) Waldflächen und ca. 60 ha Biotopflächen.
  • Für die Stadt Bonn arbeiten ein Förster, ein Forstwirtschaftsmeister und 7 Forstwirte.
  • In „normalen“ Wirtschaftsjahren werden bis zu 2.000 Festmeter (fm) Holz nachhaltig eingeschlagen. Die Einnahmen sind marktabhängig unterschiedlich.
  • Der Fichtenanteil lag in 2017 zwar bei lediglich 5,3 Prozent des Bonner Stadtwaldgesamtbestands, aktuell sind jedoch fast alle Fichten vom Borkenkäfer befallen. Allein 2019 wurden bisher ca. 4.000 fm Käferholz aufgearbeitet und verkauft. Weitere 500 - 1.000 fm stehen aktuell noch an.

Alles weitere Käferholz (ca. 1.000 fm) wird als stehendes Totholz im Bestand verbleiben.
Insgesamt rechnet der städtische Forstbetrieb mit gut 6.000 fm Fichtenkäferholz (2019 inkl. stehendes Totholz), ca. 600 fm bei der Kiefer (Diplodia Pilz) und 500 fm bei der Buche (Trocknis). Andere Baumarten fallen mit ca. 500 fm ins Gewicht. Diese Zahlen sind aber nur ein aktueller Stand. Bei anhaltender Trockenheit und Wärme sind für die kommenden Jahre noch größere Schäden zu erwarten.

  • Nicht nur die Fichtenwälder sind betroffen. Schütteschäden (vorzeitiges und massives Abwerfen der Nadeln) an der Kiefer, Douglasie, Hemlocktanne und auch an der Lärche sind zu beobachten. Im Schwerpunkt stirbt die Kiefer auf sandigen Böden rasant schnell ab. Vermehrt treten Trockenschäden an der Buche und Birke auf.
  • Außerplanmäßiger Investitionsbedarf aus den entstanden Zwangsnutzungen: Für die Wiederbewaldung von sogenannten Kalamitätsflächen, die Instandsetzung der von den zusätzlichen Forstarbeiten intensiv geschädigten Waldwegen, die besonderen Verkehrssicherungsmaßnahmen am Baumbestand und die Überarbeitung der mittelfristigen Betriebsplanung sind zusätzliche Kosten in einem hohen sechsstelligen Bereich zu erwarten. Eine genauere Prognose wird frühestens zum Ende des Jahres 2019 zu stellen sein.
  • Zusätzliche Verkehrssicherungsmaßnahmen im Stadtgebiet und Stadtwald: Im Stadtwald ist aufgrund der intensiven und für die Bürger sehr wichtigen Erholungsnutzung die Verkehrssicherung (VSP) eine zentrale Aufgabe. Im Stadtwald laufen die VSP-Kontrollen aktuell auf Hochtouren. Konkrete Maßnahmen werden bei den Baumarten Buche und Birke durchgeführt, da diese sehr schnell trockene Äste abwerfen und somit ein sehr hohes Risiko bieten. Die Fachverwaltung geht davon aus, dass die VSP-Kontrollen aufgrund des großen Umfangs nicht mehr ausschließlich durch eigenes Personal sichergestellt werden können und vermehrt auch die Unterstützung durch externe Unternehmer erforderlich wird. Alle VSP-Maßnahmen beziehen sich zunächst auf den ca. 35 Meterbreiten Gefahrenbereich entlang von Waldwegen, Verkehrsflächen und privaten Grundstücken.
  • Aktuelle Schäden in der „Grünen Lunge“ Bonns außerhalb des Stadtwaldes: Schäden durch den Eichenprozessionsspinner sind sehr gering. In 2019 wurden ca. 10 kleinere Nester beseitigt. Schäden durch die Rosskastanienminiermotte an Rosskastanie und durch Massaria an Platane sind entgegen der Prognose ebenfalls sehr gering. Größere Probleme bereitet die rasante Ausbreitung der Rußrindenkrankheit an Ahorn. Bis jetzt mussten ca. 500 Bäume überwiegend in flächigen Beständen gefällt werden. Die weitere Entwicklung ist noch nicht absehbar. Die Trockenschäden sind an verschiedenen Baumgattungen signifikant, aber noch nicht besorgniserregend. Vor allem Buche, Birke, Baumhasel und Berg-Ahorn bei den Laubbäumen, sowie Zeder und Lärche zeigen häufiger Ausfälle als andere Arten und Gattungen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Bei den Nadelbäumen werden auch Trockenschäden an der Fichte und der Kiefer verzeichnet.  

Das kleine Einmaleins des Borkenkäfers:

Drei Arten von Borkenkäfern bedrohen gerade in Zeiten des Klimawandels die heimischen Nadelwälder:

  1. Buchdrucker: Der wichtigste und gefährlichste Schadorganismus. Befällt Stammbereich von mittelalten bis alten Fichtenbeständen.
  2. Kupferstecher: Bevorzugt dünnborkige Stammteile im Kronenbereich älterer Fichten und Jungpflanzen.
  3. Gestreifter Nutzholzborkenkäfer: Befällt eingeschlagenes Nadelholz und absterbende Bäume, Abbrüche und Resthölzer. Eine Gefährdung für die Wälder ist er aber nicht.

Wie kommt es zum Borkenkäferbefall?

Die Käfer reagieren auf Duftsignale geschädigter Bäume. Ein Pionierkäfer bohrt sich in die Rinde und sendet danach Pheromone zur Anlockung weiterer Artgenossen aus. Die Weibchen legen Eier. Nach Larvenfraß und Verpuppung schlüpfen die Jungtiere. Dieser Zyklus kann zwischen 7 - 10 Wochen dauern, was in der Regel 2 - 3 Generationen pro Jahr ermöglicht. In NRW sind im Extremjahr 2018 bis zu 4 Generationen beobachtet worden.

Geschätzt folgen aus der Brut eines Weibchens im Laufe der Vegetationsperiode zwischen 100.000 und 250.000 Nachkommen.

Warum sterben Bäume bei starkem Borkenkäferbefall ab?

Larven und Jungkäfer fressen sich zwischen Borke und Splintholz durch den sogenannten Bast und durchtrennen die Leitungsbahnen, die die Baumwurzeln mit lebenswichtiger, in den Nadeln gebildeter Nahrung versorgen. Bei starkem Befall wird auch der Wassertransport in die Kronen so stark gestört, dass der Baum abstirbt.

Wann haben Borkenkäfer Hochsaison?

In der Vegetationsperiode von April bis September. Buchdrucker und Kupferstecher schwärmen im Frühjahr bei einer Temperatur ab 16,5 C aus.

Warum ist Eile geboten?

Weil auch gesunde Waldbestände bei hohen Käferdichten großflächig angegriffen und absterben können.

Aufgrund des hohen Vermehrungspotenzials kann z. B. das Übersehen eines Käferbaumes zum Befall von mehr als 8.000 weiteren Bäumen noch im selben Jahr führen.

Eine Hochrechnung in NRW aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass aus der Borkenkäferpopulation eines einzigen Baumes eine potenzielle Nachkommenschaft von 1,5 Mrd. Käfern im Folgejahr entstehen kann.

Borkenkäferbekämpfung – was ist wirksam, sinnvoll, erlaubt?

In den 1980er Jahren hofften die Forstleute noch, dass man den explosionsartigen Borkenkäfermassenvermehrungen durch den Einsatz der damals weit verbreiteten schwarzen Borkenkäferfallen Herr werden könnte. Diese Fallen wurden im Falleninneren mit Pheromonen (Sexuallockstoffe) bestückt. Die angelockten Käfer wurden in einem Trichter aufgefangen und gezielt abgeschöpft. Über die Jahre hat sich jedoch wissenschaftlich erwiesen, dass diese in unseren Wäldern weit verbreitete Fangmethode nicht geeignet ist, um Massenvermehrungen zu verhindern. Oft entstanden an den Fallenstandorten sogar neue Befallschwerpunkte.

Trotz vieler Versuchsansätze, neue Bekämpfungsstrategien zu entwickeln, sind die Maßnahmen einer „sauberen Waldwirtschaft“ am effektivsten:

  1. Idealfall: Unmittelbare Abfuhr nach Einschlag von Stammholz (Sägeholz für die Herstellung von Bohlen, Brettware, Latten usw.) und Industrieholz (für Herstellung von Spanplatten usw.) zum Käufer.
  2. Keine unmittelbare Abfuhr möglich: Lagerung entrindeter Fichten im Wald bzw. in Rinde außerhalb des Waldes.
  3. Häckseln sowie Abdecken von Industrieholz mit schwarzer Folie.
  4. Sind diese Maßnahmen nicht durchführbar, kommt eine Polterlagerung inkl. Pflanzenschutzmitteln in Frage. Zugelassene Pflanzenschutzmittel sind derzeit: Fastac Forst, Cyperkill Forst, Karate Forst, Storanet.

Pflanzenschutzmittel / Zertifizierung:

Nach PEFC-Standards finden Pflanzenschutzmittel nur als letztes Mittel Anwendung. Vor einer Einzelstammbehandlung im Wald muss ein schriftliches Gutachten durch eine fachkundige Person erstellt werden.

Nach FSC-Standards werden Insektizide grundsätzlich nicht eingesetzt. Ausnahme: Bei Anordnung einer übergeordneten Behörde.

Zahlen und Daten zum Körperschaftswald NRW:

  • Die Waldfläche aller Gemeinden, Gemeindeverbände und öffentlich-rechtlichen Körperschaften in Nordrhein-Westfalen beträgt 196.900 ha. Mit 21 Prozent Waldanteil ist der Körperschaftswald die wichtigste öffentliche Waldbesitzart in NRW.
  • Im Kommunalwald NRW gibt es rd. 12.000 km Forstwege, die auch den Bürgerinnen und Bürgern zur freien Nutzung und kostenlosen Erholung zur Verfügung stehen. Darüber hinaus stehen mehrere Hundert Kilometer Reitwege, Mountainbiking-Strecken und Skiloipen zur Verfügung.
  • Rund 45.000 Lkw-Ladungen Holz können pro Jahr im Kommunalwald nachhaltig genutzt werden.

Die größten Stadtwälder in NRW

  • Brilon ist mit 7.750 ha Stadtwald der größte Kommunalwaldbesitzer in NRW und Deutschland.
  • Die Nummer zwei ist die Stadt Warstein mit 4.841 ha Wald. Es folgen Rüthen mit 3.849 ha, Köln mit 3.552 ha, Winterberg mit 3.505 ha und der Stadtwald Bad-Münstereifel mit 3.268 ha.
  • Größte Körperschaftswälder: Landesverband Lippe (15.900 ha) als Rechtsnachfolger des ehemaligen Landes Lippe und Regionalverband Ruhr Grün (RVR) mit 13.500 ha Wald.

Kommunale Forstverwaltungen:

  • Bis 1970 war der größte Teil des Kommunalwaldes in 14 Gemeindeforstämtern organisiert, die sich danach bis auf das Gemeindeforstamt Willebadessen (Westfalen) und Aachen (Rheinland) aufgelöst haben.
  • Arbeitgeber Kommunalwald: Rd. 150 Försterinnen und Förster arbeiten heute als Beamte und Angestellte in rd. 90 Kommunen auf ca. 140.000 ha Waldfläche. 
  • Über 300 Gemeinden mit zusammen rd. 36.000 ha meist kleinerer Waldflächen sind Mitglied in einem forstlichen Zusammenschluss (Forstbetriebsgemeinschaft). 
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